3.7.2019 Mittwoch

3.Juli. Die Zeit verfliegt geradezu. Seit sechs Wochen wohnen wir jetzt schon in Jüterbog und fühlen uns echt wohl. Der Anfangsstress ist abgefallen und jetzt versuchen wir Stück für Stück vorwärts zu kommen. Für mich sind jetzt zum ersten Mal seit drei Jahren Ferien und es fühlt sich ganz komisch an, nicht für die Schule der Kinder verantwortlich zu sein. Ein riesiger Stein ist von meinen Schultern gefallen. Am Anfang der Sommerferien hatte ich mir noch vorgenommen (und es auch versucht), Nele und Noah wenigsten zwei Stunden am Tag zu unterrichten (Rechtschreibtraining mit Noah und Französisch nachbereiten mit Nele), habe aber schnell feststellen müssen, dass ich mich mit Haut und Haaren dagegen sträube. Und nicht nur ich. Ich glaube wir sind alle drei froh, dass die Schule in der Schule stattfindet und wir ein ganz entspanntes Familienleben genießen können! Es war so ein großartiges Gefühl, als beide zum ersten Mal mit ihren Fahrrädern morgens zur Schule fuhren und ich ihnen viel Spaß wünschen konnte!! Danach haben sie berichtet und ich musste nur zuhören und zustimmen. Toll!

Und so haben Tobias und ich jetzt jede Menge Freizeit um zu arbeiten, während die Kinder Zaubertricks einüben..... 

Neben dem ganzen Papierkram, der abgearbeitet werden muss, tragen wir jetzt das Innenleben des "Bürogebäudes"ab. Sämtliche Rigipsplatten und Verankerungen werden von den Wänden entfernt, so dass nur noch die Ziegelmauern übrigbleiben. Dabei ist unter anderem auch ein riesiges Wespennest zum Vorschein gekommen!

7.7.2019 Sonntag

Immer noch in Jüterbog. Tuvalu muss warten. Bis heute ist noch nicht geklärt, ob Tobias morgen in Dänemark im Kitecamp als Lehrer einspringen muss... Alle Bälle sind bei uns gerade permanent im der Luft.

Die Arbeiten am Haus stagnieren gerade. Wir brauchen dringend einen Elektriker, aber es ist weit und breit keiner zu kriegen. Die frühesten Termine könnten wir Ende September bekommen! Die Entscheidung Tuvalu nicht selbst über den Atlantik zu segeln, war schon gut. Sonst wären wir jetzt erst um diese Zeit in Europa angekommen.

Dafür lernen wir jetzt Jüterbog immer besser kennen. Cafés und Restaurants werden getestet, Freibad und Bibliothek genutzt, Feldwege zum Laufen erkundet und als letztes waren wir gestern zum ersten Mal auf dem Biowasserbüffelhof 200 Meter von uns entfernt. Jeden ersten Samstag im Monat öffnet der Hof seine Tore und man kann eine Führung mitmachen oder einfach nur im Hofladen einkaufen. Unser Kühlschrank ist jetzt gefüllt mit Büffelmozzarella und meine Eltern werden in den nächsten Wochen die Fleischprodukte verköstigen.

16.7.2019 Dienstag

Back on the boat! Was für ein Gefühl! Schon als wir in die Nähe des Hafens kamen, war ich komplett aufgeregt. Die Wolkendecke riss auf und die Sonne begrüßte uns. Als wir dann auf dem Steg zum Boot liefen, war es, als wäre die Zeit stehengeblieben. Alle Schwierigkeiten und Probleme mit denen wir uns momentan auseinandersetzen müssen, sind wie weggeblasen. Die Betten sind bezogen, die Schränke noch voller Kleidung (wir sind mit Handgepäck zurückgeflogen) und die Küche ist komplett. Alle Gewürze, Öle, Samen, Reis Bohnen...und hunderte Packete Spaghetti! 

Eigentlich steht jetzt erst einmal Boot schrubben und Segel anschlagen auf dem Programm.🤔 Vielleicht verschieben wir das auf morgen und kochen jetzt erst einmal!

Die Spaghetti sind im Bauch und die Wäsche im Trockner. Langsam fällt die Spannung ab und wir machen uns daran Nele zu einem Spieleabend zu animieren. Mit dreizehn scheint ein spontanes Desinteresse an Spielen einzusetzen, welches der Rest der Familie geflissendlich ignoriert... Grausam!

Es fühlt sich so an, als würden wir unsere Reise jetzt fortsetzen. Und gleichzeitig fühlt es sich nach Heimkehren an. Tuvalu wieder in den Niederlanden zu haben, bei echt netten Menschen ist großartig. Wir fühlen uns hier wunderbar aufgehoben und genießen die langsam vorbeischippernen Bötchen, denen man duraus zuwinken darf, ohne Misstrauen zu erregen.

Und die Flugzeuge von Schipol direkt über unseren Köpfen erinnern uns daran, wie wir im November 2016 vor dem herannahenden Winter spontan im Flieger nach Portugal gefüchtet sind... Die Realität hat sich auch in den folgenden drei Jahren nie an unsere Pläne gehalten. Und beim Zurückgucken würden wir allerdings alles noch einmal so machen wollen. Was für eine g.... Zeit!

Ach, und wenn jemand noch an unserer Position interessiert ist: Ich habe sie endlich aktualisiert. 

17.7.2019 Mittwoch

Gerade sind wir in die Marina Amsterdam eingelaufen, haben das Großsegel wieder angeschlagen und Kartoffelsalat und Bouletten (veggistyle) in der prallen Sonne verzehrt (unser Sonnensegel ist noch nicht wieder dran). Und Tobias spricht aus, was ich die ganze Zeit denke. Es ist, als wäre Jüterbog ein Traum und gar nicht real und wir fahren jetzt fort. Ein total kurioses Gefühl!

Vielleicht liegt es ja auch daran, dass wir länger in Las Palmas lagen oder auf den Bahamas in Georgetown, als wir bisher in Jüterbog gewohnt haben. Wahrscheinlich bucht das das Gehirn als einen weiteren Reisestop ab.

21.7.2019 Sonntag

Der Sonntag macht seinem Namen alle Ehre. Nachdem uns  gestern morgen um drei Uhr ein heftiger Wind gezwungen hat aufzustehen und mitten in der Nacht von unserem Ankerplatz von Edam loszusegeln, folgte ein insgesamt recht feuchter und windiger Tag. Und wo kann man diesen schöner verbringen, als in Enkhuizen! Es kommt mir so vor, als würden wir gerade rückwärts segeln!

Kibbeling und Pommes am Kanal und bestes Softeis zum Nachtisch. Hier habe ich vor zwei Jahren beschlossen nicht mehr in die Großstadt zurückzukehren...

Da wir im Hafen mit dem Katamaran keinen Platz gefunden haben, liegen wir jetzt in der Hafenbucht vor Anker und haben unser Dinghi wieder fitgemacht. Der Motor startete beim ersten Versuch!!!

22.7.2019 Montag

Was für ein Tag! Der Kitelehrer, der die Kitelehrerin ersetzen sollte, die nicht kam und nicht mehr erreichbar war, ist am Freitag Abend in Flensburg verschollen. Freitag abends noch telefoniert, am Sonntag nicht aufgetaucht und auch nicht mehr zu erreichen. (Ähnlich wie mit unseren Verputzern!) Bei ausgebuchten Camps in der Hauptsaison fiel es selbst Tobias schwer noch die Ruhe zu bewahren. Jetzt noch einen Kitelehrer oder eine Kitelehrerin zu finden ist ein bisschen wie ein Lottogewinn. Plan B: Tobias fährt mit dem Taxi quer übers Ijsselmeer zu unserem Auto und direkt nach Thorsminde. Das wäre dann mal spannend geworden, mit geschrumpfter Crew Tuvalu ans Ziel zu bringen und dann mit Bus und Bahn nach Hause...

Um der Aufregung bei der Lösungsfindung zu entgehen, entschieden die Kinder und ich noch einmal in unser Lieblingsmuseum zu gehen. Ein Fischerdorf im 19. Jahrhundert. Drei Jahre nach unserem letzten Besuch war es wie ein Zeitreise. Wir waren wieder genauso begeistert. Der einzige Unterschied: Während vor drei Jahren die Kinder unruhig wurden, wenn wir uns zu lange zum Beispiel mit dem Schmied oder dem Böttcher auf Englisch unterhielten und sie nur Bahnhof verstanden, hörten sie dieses Mal interessiert zu. Natürlich mussten wir auch wieder im Süßigkeitsladen Halt machen...

Für ein paar Tage ist eine Kitelehrerin als Feuerwehr vor Ort eingesprungen, so dass Tobias erst am Mittwoch da sein muss. Also Planänderung: Wir segeln gemeinsam übers Ijsselmeer nach Lemmer und von dort direkt nach Irnsum. Wir fahren gemeinsam nach Berlin und Tobias dann nach Thorsminde!  So, jetzt nach der Überfahrt kristallisiert sich eine Lösung. Morgen früh wissen wir mehr. Bis dahin genießen wir den Sonnenuntergang vor Anker und schauen einen Familienfilm.

23.7.2019 Dienstag

Jetzt wo unsere kleine Minireise zwangsweise noch einmal verkürzt wird, wird mir immer klarer, dass ich das gar nicht schlimm finde. Wir sind genug gereist und ich will jetzt zu Hause in Jüterbog sein, bei meinem Garten, Familie und Freunden. Mich kann gerade weder ein Urlaub auf den Malediven noch eine Reise quer durch Europa reizen. Das ist ein ganz neues Gefühl und irgendwie auch schön. 

25.7.2019 Donnerstag

Ein Kitelehrer hatte "vielleicht" zugesagt, ab nächste Woche in Dänemark zu arbeiten... Da uns "vielleicht" etwas wenig konkret erschien sind wir sicherheitshalber schon  mal nach Lemmer gesegelt und nach zwei schönen Tagen dort gestern weiter nach Jirnsum. Hier wird Tuvalu heute um 11 Uhr aus dem Wasser gekrant "eingewintert". 

Unser Auto ist bis zur Decke beladen und wir hoffen, dass wir auch noch reinpassen. Wir freien uns alle schon wieder sehr auf "zu Hause"

Natürlich wurde Tuvalu nicht um 11 Uhr gekrant, sondern um 15 Uhr. Wir treffen schon gar keine Reiseverabredungen mehr, da wir sie sowieso nicht einhalten könnten!

Tuvalu steht jetzt also wieder an dem gleichen Platz, wie vor zwei Jahren (bisher hängt sie eher noch in den Seilen). Es sind "entspannte" 36° und wir müssen beim Arbeiten ständig Wasser in uns einfüllen. 

26.7.2019 Freitag

Wir sind wieder zu Hause und überglücklich! Es ist so schön ein "zu Hause" zu haben, zu dem man zurückkehren kann. Die Reise ist jetzt abgeschlossen und es fühlt sich alles ganz richtig an. Hatten wit erst noch überlegt im Herbst noch zu segeln, merkten wir nun, dass es richtig ist, Tuvalu nun erst einmal an Land zu legen. Alles musste raus, dann wurde geputzt, die Motoren und die Wassertanks eingewintert und tausend andere Dinge, die nicht vergessen werden durften. Nach der Akkordarbeit bei 38°, quetschen wir uns erst am frühen Abend in unser randvoll bepacktes Auto ohne Klimaanlage und wollten nur noch nach Jüterbog. Mitten in der Nacht kamen wir bei schönsten Sternenhimmel und Grillengezirpe auf den Hof gefahren.